Für das Personal stellt sich im Rahmen der Digitalisierung in der Notaufnahme nach dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) vor allem eine Frage:

Was habe ich davon? Wie wird mir die Arbeit erleichtert?


Um diese Frage zu klären, möchte ich im Folgenden gerne darauf eingehen, wie durch Digitalisierung der Patientenzufluss bis zu einem bestimmten Maße gesteuert werden kann. Bis zu einem bestimmten Maße deshalb, da es schwierig sein dürfte Patienten zu steuern, die aus eigener Entscheidung heraus die Notaufnahme aufsuchen. 

Anders verhält es sich jedoch mit dem Rettungsdienst. Denn erhebliche Patientenzufluss durch die Notfallrettung kann mit modernen Mitteln effizient gesteuert werden und somit Ärzt:innen und Pfleger:innen entlassen. Wichtig ist im Zuge dessen, dass haus- und funktionsübergreifend kommuniziert wird. Durch die politisch geforderte Digitalisierung in der Notaufnahme besteht erstmals die Möglichkeit, einheitliche Regeln für den Patientenzufluss zu schaffen und effektiv untereinander aufzuteilen. Das Turfen, um es in den Worten von Samuel Sham zu sagen, hätte ein Ende. Unmittelbar würde dies zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit führen: Wenn Mitarbeiter:innen wissen, dass andere Häuser nach genau denselben Spielregeln Patienten erhalten, besteht eine Akzeptanz für die Arbeitsbelastung, die durch Notfallpatienten entsteht – auch wenn diese mal sehr hoch ausfallen sollte. Damit die Kommunikation unter den Häusern funktioniert, muss man wissen, wie die Digitalisierung im Rettungsdienst funktioniert.


Wie funktioniert Digitalisierung im Rettungsdienst?

Wählt man die 112, wird der Notruf von einem Disponenten aufgenommen. Das System schlägt nun die Anzahl und die Qualifikation der Fahrzeuge vor, die für den Einsatz benötigt werden und ermittelt unter diesen das Fahrzeug mit der kürzesten Entfernung. 

Die Daten werden dann an den Rettungswagen übermittelt und die Piepser der Besatzung werden ausgelöst. 

Im Führerhaus befindet sich das Rescuetrack. Hierbei handelt es sich um ein System, mit dem sowohl die Leitstelle, die Rettungsfahrzeuge und die Krankenhäuser untereinander kommunizieren können. Im Rettungswagen ist das Rescuetrack als Bildschirm im Führerhäuschen vorhanden, der über verschiedene Ansichten verfügt. Auf der Hauptseite werden die Einsatzdaten wie Einsatzstichwort, Adresse und weitere relevante Informationen angezeigt. Auf der zweiten Seite wird automatisch die Route zum Einsatz aufgezeigt. Ein Navi ist also auch an Board. Vor einigen Jahren musste dies von der Besatzung manuell eingegeben werden. Das hat Zeit gekostet. Die Daten werden vom Rescuetrack wiederum an andere Systeme im Rettungswagen weitergegeben, wie zum Beispiel an das NIDA-Pad. Dabei handelt es sich um ein Tablet, dass von der Besatzung zur Dokumentation des Einsatzes verwendet wird. Es ist äußerst robust und verfügt über diverse Funktionen, die genau auf die präklinische Arbeit abgestimmt sind. Erhält das Rescuetrack einen Einsatz, wird dieser an das NIDA-Pad weitergeleitet. Es öffnet sich ein neues Protokoll. Von nun an kommunizieren die Systeme während des gesamten Einsatzes miteinander. Kommen weitere Fahrzeuge hinzu, etwa bei einem Verkehrsunfall, können Daten auch fahrzeugübergreifend ausgetauscht werden. So kann ein nachgeforderter Notarzt etwa die Personaldaten des Patienten vom Rettungswagen abrufen. Einsatzzeiten, wie die Übernahme des Einsatzes und die Ankunft beim Patienten werden ebenfalls automatisch dokumentiert. 

Vor Ort ergreift die Besatzung erste Maßnahmen, um eine erste Verdachtsdiagnose stellen zu können. Hierzu wird der Patient häufig an ein ziemlich umfangreiches Multifunktionsgerät angeschlossen, das die Sauerstoffsättigung, die Herzfrequenz, den Blutdruck, das exspiratorische CO2 und vieles mehr messen kann. Rettungsdienstler nennen diese Geräte allgemeinhin „das EKG“. Bei Patienten mit Herzbeschwerden kann tatsächlich ein EKG geschrieben und ausgewertet werden. Sehr häufig kommt hier der Corpuls3 zum Einsatz. Während die Besatzung arbeitet, kommuniziert das EKG nun auch mit dem NIDA-Pad und alle Daten werden übertragen und automatisch in das Protokoll eingepflegt. Dasselbe gilt für Beatmungsgeräte die eingesetzt werden oder mechanische Reanimationshilfen, wie etwa den LUKAS. Ist die Behandlung vor Ort abgeschlossen wird der Patient in den Rettungswagen gebracht. 


Rettungsdienst und Notaufnahme

Nun gibt es zwei Möglichkeiten, wie der Rettungsdienst weiter verfährt. Ich werde hierzu mal auf meine eigene Praxis zurückgreifen.

Variante 1

Variante 1 – Der Patient hat einen Herzinfarkt und muss in die Klinik. Im NIDA-Pad kann ich die Option „Voranmeldung“ öffnen. Alle wichtigen Daten, wie Name und Anschrift sind bereits durch die Leitstelle eingepflegt. Wenn ich die Versichertenkarte einlese, werden zusätzlich Daten samt Versichertennummer und Geburtsdatum übernommen. Wie zuvor beschrieben, wurden Vitalwerte ebenfalls automatisch eingetragen. Ich wähle aus den verfügbaren Optionen die Diagnose STEMI aus, setze die Priorität auf rot und wähle die voraussichtliche Ankunftszeit. Dann übermittle ich die Voranmeldung an die Notaufnahme. Diese sieht jetzt auf einem großen Bildschirm, dass ein Rettungswagen mit einem zeitkritischen Patienten auf dem Weg ist. Auf einen Computer können sich nun alle Beteiligten in der Notaufnahme über den Patienten informieren. Auch das 12-Kanal EKG kann vom Kardiologen beurteilt werden. Er weiß also schon vor Ankunft, wo das Infarktareal sitzt und welche Behandlung voraussichtlich notwendig ist. 

Das NIDA-Pad überträgt nun, nachdem die Zielklinik ausgewählt wurde, die Daten an das Rescuetrack, welches die Route zur Klinik automatisch vorgibt. 

Ist eine Klinik überlastet, kann sich diese über die Leitstelle offiziell abmelden. Dann wird die Klinik im Rescuetrack automatisch ausgegraut und ist nicht mehr auswählbar. Vorteilhaft ist daran, dass die Besatzung schon vor Ankunft beim Patienten weiß, welche Kliniken angesteuert werden können und welche nicht.

Angekommen in der Notaufnahme wird der Rettungswagen bereits erwartet. Da das NIDA-Pad über eine Textbausteinfunktion verfügt und die meisten Daten automatisch eingepflegt wurden, kann das Protokoll im besten Fall kurz vor oder bei Ankunft digital übergeben werden. Alle Informationen können vom Computer aus eingesehen werden und sind für alle Beteiligten zentral verfügbar. Zuvor wurden Papierprotokolle übergeben, die regelmäßig verlegt wurden.

Insgesamt wird die Übergabezeit verringert und das behandelnde Team kann gezielte Nachfragen stellen. 


Variante 2

Nun zur Variante 2 – Der Patient hat einen Herzinfarkt und muss in die Klinik. Diesmal in eine Klinik, die nicht digital ausgestattet ist. Der Patient befindet sich im Rettungswagen und alle Vitalwerte und Daten sind im NIDA-Pad. Doch zunächst muss zum Hörer gegriffen werden. Der diensthabende Arzt wird angerufen und die Ankunft angekündigt. Ist das Telefon besetzt, muss darauf gewartet werden, dass die Leitung frei wird. 

Im Telefonat werden dann alle Daten, Vitalwerte das EKG-Bild und der Zustand des Patienten durchgegeben. Zudem möchte der Arzt die Krankengeschichte des Patienten wissen. Diese Daten werden von diesem aufgeschrieben. Gelegentlich muss sich der Arzt auf der Intensivstation vergewissern, dass diese über Behandlungskapazitäten verfügt. Ist das Krankenhaus überlastet muss so lange herumtelefoniert werden, bis ein geeignetes „Bett“ gefunden wurde. Während der COVID-Pandemie konnte dieser Prozess durchaus 15-20 Minuten in Anspruch nehmen. Aber auch vorher nahm dieser Prozess, etwa nach einer erfolgreichen Reanimation vor Ort, zu viel Zeit ein. 


Lösungen für die Digitalisierung in der Notaufnahme

Wie sich zeigt, ermöglicht eine Digitalisierung in der Notaufnahme, die über eine Schnittstelle zum Rettungsdienst verfügt, die effiziente Steuerung von Patient:innen. Ärzt:innen werden nicht an das Telefon gebunden und können noch vor Ankunft einen geeigneten Behandlungsplan erstellen. Die Mitarbeiter:innen der Notaufnahmen wissen mit einem Blick, welche Rettungsfahrzeuge mit welcher Priorität auf dem Weg sind und wann Fahrzeuge an eine andere Klinik umgeleitet werden müssen. Dies ermöglicht eine effiziente Steuerung und Entlastung von Ärzt:innen und Pfleger:innen, die andernfalls damit beschäftigt sind telefonisch Patienten an andere Krankenhäuser abzuturfen. 

Zuletzt ist noch nennenswert, das die Verwendung moderner Systeme durch mehrere Kliniken innerhalb eines Versorgungsgebiets die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen kann, da alle Beteiligten wissen, dass alle Häuser Patient:innen nach denselben Vorgaben erhalten. In Zeiten von Fachkräftemangel und hoher Krankenstände, ist der Aspekt der Mitarbeiterzufriedenheit ein sehr wesentlicher. 


Wer hilft bei Fragen? 

Wie dieser Artikel zeigt, benötigen deutsche Krankenhäuser und ihre individuellen Herausforderungen maßgeschneiderte Lösungen – nicht nur bei der Digitalisierung in der Notaufnahme. Eine generelle, für jeden perfekte Lösung gibt es nicht. Damit die richtigen Lösungen zu Einsatz kommen und die Integration neuer Strukturen ein Erfolg wird, ist einschlägiges Know-How erforderlich. Die condots GmbH ist eine Unternehmensberatung im Gesundheitswesen mit Schwerpunkt in den Bereichen Projektmanagement, klinische Prozesse und Organisationsentwicklung und hat das erforderliche Wissen, um auch Ihr Projekt erfolgreich umzusetzen. 

Wenn Sie möchten, dass wir auch Sie bei Ihren Vorhaben in der Healthcare-IT unterstützen, sprechen Sie einfach Christian von condots an oder vereinbaren Sie einen kostenfreien Beratungstermin

Wir freuen uns auf Sie! 

Ihr Team der #condotsGmbH – connecting the dots. 


2 Kommentare

Krankenhauszukunftsgesetz: Was ist das KHZG? - condots GmbH · 17. März 2022 um 20:58

[…] Fördertatbestand 1: Notaufnahme […]

Digitales Versorgungsnachweissystem für Betten (FTB 8 des KHZG) - condots GmbH · 6. April 2022 um 22:04

[…] noch zum Hörer greifen, um freie Kapazitäten zu finden, sofern eine einfache Anmeldung über das RescueTrack nicht ausreicht. Denn im Unterschied zum Bettennachweissystem ist für den Rettungsdienst lediglich […]

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